Wanzen, Zikaden, etc.

Bitte senden Sie Ihre Meldungen an: Markus Bräu (markus.braeu[at]freenet.de]

 

Die Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys  (Stål, 1855) (Heteroptera, Pentatomidae) in Nordbayern auf der Nürnberger Kaiserburg gefunden. Mitgeteilt von Leo Weltner, Zirndorf, am 10.07.2019

Auf die Faunistische Notiz von Markus Bräu, München, vom 11.01.2019 über das Neozoon Marmorierte Baumwanze aus dem Raum München wird Bezug genommen. Zuwanderungswege, Ökologie und Schädlichkeit sind dort ausführlich behandelt.

Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855) in Nürnberg am 4.6.2019. Foto: L. Weltner

Der Kreis Nürnberger Entomologen kartiert im Rahmen der Bayerischen Biodiversitätsstrategie den Bereich der Nürnberger Kaiserburg, samt dem eingebundenen Küblerzwinger seit 2010. Im Rahmen eines Lichtfanges am 04.06.2019 in ebendiesem Küblerzwinger, konnte der Verfasser die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys (Stål, 1855) (engl. brown marmorated stink bug), wohl erstmals für Nordbayern nachweisen.

Zitiervorschlag: Weltner, L. 2019: Halyomorpha halys (Stål, 1855) in Nordbayern auf der Nürnberger Kaiserburg gefunden. Faunistische Mitteilung Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Entomologen, website abe-entomofaunistik.org [10.7.2019].  Anschrift des  Verfassers: Leo Weltner, Kranichweg 19, 90513 Zirndorf-Anwanden.

Anmerkung des Redakteurs (J. Schmidl): Wurde inzwischen von mir auch in meinem Garten Am Kressenstein 48 in Nürnberg mehrmals beobachten (zuletzt 23.8.2019)

 

Die Lindenwanze Oxycarenus lavatherae (Fabricius, 1787) (Heteroptera: Oxycarenidae) und die Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855) (Heteroptera: Pentatomidae) nun auch in Bayern. Mitgeteilt von Markus Bräu am 11.01.2019

Einleitung

Es wird davon berichtet, dass Oxycarenus lavatherae und Halyomorpha halys im Zuge ihrer Ausbreitung inzwischen auch Bayern erreicht haben. Während erstere aufgrund ihrer Eigenschaft, im Herbst und Winter Massenansammlungen zu bilden, auch für Laien auffällig wird, zieht Halyomorpha halys wegen ihrer ungewöhnlich bedornten Larvenstadien sowie ihrer Größe und Färbung Aufmerksamkeit auf sich.

Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787)

Als ursprüngliches Verbreitungsgebiet der nur maximal sieben Millimeter langen Lindenwanze gesichert bekannt ist der westliche Mittelmeerraum, einschließlich des westlichen Nordafrikas und der Kanaren. Südlich der Alpen reichte es von der Iberischen Halbinsel, Frankreich (nördlich bis Aquitanien und Haute-Vienne), fast ganz Italien mit Südtirol, randlich bis ins Tessin und im Osten bis zum Nordwesten der Balkanhalbinsel (Péricart, 1998). Ab Mitte der 1990er-Jahre begann die Art, sich von hier aus nach Norden und nach Osten auszubreiten und sie erreichte zunächst 2001 über Ungarn (Erstfund 1994) Österreich (Rabitsch & Adlbauer, 2001). Aus dem Jahr 2004 stammt dann die Erstmeldung für Deutschland im Oberrheingebiet (Billen 2004), das sie also wohl von Westen her erreichte. Die weitere Ausbreitung der westlichen Linie im Rheintal beschreiben Hoffmann & Schmitt (2014), die der östlichen in Tschechien Kment et al. (2006). 2015 wurde ein Einzeltier von Oxycarenus lavaterae dann erstmals in Hessen aufgefunden (Schneider & Dorow, 2016), unweit eines in Hoffmann & Schmitt (2014) genannten grenznahen Fundortes in Baden-Württemberg. Die Zuwanderung nach Hessen erfolgte somit wohl von Westen. Bereits aus dem Folgejahr berichten Schneider & Dorow (2017) von weiteren Funden (teils Massenvorkommen) in diesem Bundesland, wobei die Mainlinie bereits überschritten war.

Lindenwanze Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) Imago. Foto: M. Bräu

Massenansammlung der Lindenwanze Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) an einer Linde in der Eremitage, Bayreuth. Foto: W. Roth

Der Erstfund in Bayern stammt von Wilfried Klemmer (Ingrid Altmann in lit.) aus Furth im Wald im Naturpark Oberer Bayerischer Wald vom 05.10.2016. Dieser stellte im Ort eine Massenansammlung von mehreren Hundert Exemplaren in einer Lindenkrone fest (Klemmer mdl.). Daher ist zu vermuten, dass erste Exemplare Bayern ebenfalls bereits spätestens 2015 erreichten, wobei aufgrund der Lage des Fundorts eine Herkunft von Osten, insbesondere aus Tschechien wahrscheinlich ist. Der Autor konnte dann am 24.6.2017 in Landshut im Rahmen der Teilnahme an einer Aktion zum Geo-Tag der Artenvielfalt ein Exemplar in der Pfrettach-Aue südwestlich des Bahnhofs fangen. In München tauchte Oxycarenus lavaterae im Herbst 2018 in der Innenstadt nahe der Paulskirche in Anzahl auf. Die Tiere versammelten sich nach einer Schlechtwetterphase an einem Verteilerkasten, in den sie durch die üblichen Schlitzöffnungen auch eindrangen (vermutlich Schutz vor der Witterung suchend). Sie liefen aber auch auf dem Vorgartenzaun umher, während auf der in geringer Entfernung im Vorgarten stehenden Linde (Wirtsbaum) nur Einzeltiere zu sehen waren. Ein weiteres Vorkommen – wie am ersten Münchner Fundort einschließlich zahlreicher Larven – wurde in München-Gern angrenzend an den Biedersteiner Kanal mit naturnahem Gehölzsaum entdeckt. Dies zeigt, dass nicht nur der besonders wärmebegünstigte Innenstadtbereich als Lebensraum geeignet ist. In der Folge erreichten den Autor auch Meldungen von Massenansammlungen aus anderen Regionen Bayerns: Aus dem Dorfkern von Geisfeld östlich Bamberg (Mitte September) und aus Gundelsheim bei Bamberg (Anfang Oktober, Jonas Merzbacher vid., jeweils Hans-Peter Schreier in lit.) von einem Parkplatz an der Eremitage von Bayreuth (Fotobeleg Wolfgang Roth, Julian Bitter in lit.), sowie aus Aschaffenburg (Roth in lit.).

Lindenwanzen entwickeln sich an Malvengewächsen wie Strauchpappeln, Eibisch, Hibiskus und Malven, aber auch an Linden (Tiliaceae, insb. Tilia cordata Mill.), deren Samen sie besaugen (Péricart, 1998). Im Herbst sammeln sich die Wanzen an Stämmen und Ästen von Linden. Die Lindenwanzen überwintern als Imagines, typischerweise an diesen Bäumen. Massenauftreten dieser Tiere wird immer wieder beobachtet, in Mitteleuropa insbesondere in urbanen Lebensräumen.

Lindenwanzen rufen in der Regel keine Schäden an ihren Wirtspflanzen hervor, sie können höchstens lästig werden, wenn sie sich auf der Suche nach geeigneten Überwinterungsquartieren an Hauswänden versammeln. Dann kann es nämlich auch vorkommen, dass sie durch Fenster und Türen in Wohnräume eindringen. Eine Bekämpfung ist jedoch nicht angezeigt, da bisher noch kein Absterben von Lindenbäumen nach Befall durch die Lindenwanze bekannt geworden ist (vgl. Feuerwanzen Pyrrhocoris apterus, Linnaeus, 1758), die sich ebenfalls insbesondere an Linden- und Malvengewächsen entwickeln). Allerdings ist nach Wermelinger et al. (2005) nicht auszuschließen, dass die Bäume bei zusätzlichem Befall durch die Wollige Napfschildlaus (Pulvinaria regalis Canard, 1968) geschwächt werden.

Von einer weiteren Ausbreitung in Bayern ist gewiss auszugehen, wobei Beobachtungen darüber interessant wären, ob Oxycarenus lavaterae auch in die kühlsten Regionen vorzudringen vermag, in denen ihre Wirtsbäume vorkommen.

Halyomorpha halys (Stål, 1855)

Das natürliche Verbreitungsgebiet dieser mit bis zu 1,7 Zentimetern im Vergleich zum Gros der heimischen Wanzenarten recht stattlichen Art liegt im Osten Asiens. Nachweise gibt es dort aus Ostchina, Japan, Korea und von der Insel Taiwan. Bereits im Jahr 2001 wurde die Art nach Nordamerika (zunächst Pennsylvania) eingeschleppt. Von dort aus hat sie sich in den Vereinigten Staaten massiv ausgebreitet und wurde im Jahr 2012 auch in Kanada (Ontario) gefunden.

Die ersten europäischen Belege stammen aus Liechtenstein (2004) und aus der Schweiz (2007). Nach Presseberichten (URL) war die Art aber wohl bereits mit Ziegellieferungen für den Chinesischen Garten in Zürich 1998 unwissentlich in die Schweiz importiert worden (ein genetischer Abgleich zeigte hohe Übereinstimmung von Züricher und Pekinger Tieren). 2011 erfolgte der erste deutsche Nachweis in Konstanz (Heckmann, 2012). Haye & Zimmermann (2017) berichten über weitere Fundorte in Baden-Württemberg und über einen Einzelnachweis in Berlin.

Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855), drittes Larvenstadium. Foto: M. Bräu

Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855), fünftes Larvenstadium. Foto: M. Bräu

Marmorierte Baumwanze Halyomorpha halys (Stål, 1855), Imago. Foto: M. Bräu

Im Herbst 2017 fand der Autor dann zufällig in der Mittagspause an einem Beton-Zaunpfosten in der Münchner Innenstadt (Hermann-Lingg-Straße) eine Larve von Halyomorpha halys. Diese war allerdings stark verletzt (wohl von einem Vogel) und konnte nicht zur Entwicklung gebracht werden. Ab September 2018 wurden jedoch mehrfach in der Umgebung der Paulskirche ganz in der Nähe des Erstfundes sowohl Imagines als auch Larven unterschiedlicher Stadien gefunden. Nach einem Gewitterereignis saßen etliche Tiere an Mauern, aber auch am Stamm eines Bergahorns, die wieder zurück in den Kronenraum kletterten. Auch an der Linde, an der sich das Vorkommen von Oxycarenus lavaterae befand, konnte zu einem anderen Termin eine Imago auf den unteren Ästen beobachtet werden. Es wurden dem Autor später auch Funde anderer Personen aus dem Münchner Stadtzentrum mitgeteilt (Tanja Schulz-Mirbach: 05.10.2018, Luisenstraße 37; Marianne Böttcher: 10.10.2018, Alter Botanischer Garten an der Luisenstraße, sehr zahlreich).

Eigene weitere Funde stammen aber auch aus anderen Teilen Münchens, etwa einem „Gartenstadtbereich“ in München-Gern am Biedersteiner Kanal, vom eigenen Wintergarten im weiteren Umfeld zu diesem, und an einer Hauswand in derselben Gegend noch im Dezember. Dies lässt vermuten, dass Halyomorpha halys im Stadtgebiet bereits weit verbreitet ist. Meldungen aus anderen Städten bzw. Regionen Münchens wäre willkommen, um die weitere Entwicklung dokumentieren und einschätzen zu können.

Anders als bei heimischen Arten, die allenfalls lokal und in geringem Umfang Schäden verursachen, muss Halyomorpha halys nämlich ein hohes Schadpotenzial bescheinigt werden. Die Marmorierte Baumwanze wird vor allem schädlich durch das Besaugen von Früchten und Fruchtanlagen, darunter Pfirsich, Apfel, Birnen, Haselnuss, Weinrebe, aber auch Mais, Sojabohne, Tomate, Paprika und Aubergine. Besonders aus wärmeren Gebieten der USA, aus Norditalien und Georgien wurde von massiven Ernteschäden berichtet. Durch den Saugvorgang werden die Früchte deformiert, verfärben sich und sind unansehnlich. Auch Pflanzenpathogene, wie Schimmelpilze der Gattung Eremothecium, können noch zusätzlich übertragen werden. Da die Marmorierte Baumwanze bei der Wahl ihrer Futterpflanzen nicht wählerisch ist und die Liste der potentiellen Wirtspflanzen sehr lang ist (weltweit über 300 Nahrungspflanzen bekannt, vgl. auch Haye et al. 2014), finden sich auch in Gärten genügend Nahrungsquellen. Dazu gehören etwa auch Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii), Wilder Wein (Parthenocissus spp.), Trompetenblume (Campsis grandiflora) und Gewöhnlicher Trompetenbaum (Catalpa bignonioides). Derzeit steckt die Forschung zu möglichen biologischen Bekämpfungsmaßnahmen noch in den Kinderschuhen und die meisten chemischen Mittel haben sich als nicht besonders wirksam herausgestellt bzw. sind ökologisch bedenklich.

Entsprechend des Ergebnisses der Modellierung der potenziellen aktuellen Verbreitung der Art nach Klimadaten durch Kritikos et al. (2017) sind in Bayern bislang nur wenige Regionen für eine weitere Ausbreitung von Halyomorpha halys geeignet. Dies betrifft vor allem Unterfranken bzw. das Untermaingebiet und das Donautal. Ob es also auch in Bayern zu schädlicher Massenvermehrung bzw. zu Ernteschäden kommt bleibt somit abzuwarten. Klimaerwärmung kommt der Art aber zweifellos entgegen und die weitere Entwicklung sollte im Auge behalten werden

Aufruf: Um besseren Aufschluss über das Ausbreitungsgeschehen von Halyomorpha halys zu bekommen, wird gebeten, etwaige Funde der leicht identifizierbaren Art an den Autor zu melden. Gerne können bei Bestimmungsunsicherheiten auch Exemplare oder gute Fotos zur Überprüfung zugeschickt werden.

Dank: Den im Artikel genannten Personen, die Funde mitgeteilt haben, sei herzlich gedankt. In besonderem Maße gilt der Dank Herrn Wilfried Klemmer für die Bereitschaft, seinen Erstfund hier zu veröffentlichen.

Literatur: Billen, W. (2004): Kurzbericht über das Auftreten einer neuen Wanze in Deutschland. –Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 56: 309-310.  Haye, T. & O. Zimmermann (2017): Etablierung der Marmorierten Baumwanze, Halyomorpha halys (STÅL, 1855), in Deutschland. – Heteropteron 48: 34-37.  Haye, T., Wyniger, D. & T. Gariepy (2014b): Recent range expansion of brown marmorated stink bug in Europe. – In: Müller, G, Pospischil, R. & W.H. Robinson, (eds.): Proceedings of the Eighth International Conference on Urban Pests, 20 - 23 July, Zurich, Switzerland: 309-314. Heckmann, R. (2012): Erster Nachweis von Halyomorpha halys (Stål, 1855) (Heteroptera: Pentatomidae) für Deutschland. Heteropteron 36: 17–18.  Hoffmann, H. J. & R. Schmitt (2014): Die Malvenwanze Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) (Heteroptera, Lygaeidae) breitet sich im Rheintal nach Norden aus. – Heteropteron 41: 14-18.  Judd, S. (2008): Oxycarenus lavaterae (Fab.) (Heteroptera: Lygaeidae) a non-native seed bug established in a Liverpool glasshouse. – Journal of the Lancashire and Cheshire Entomological Society 131-132: 43.  Kment, P., Vahala, O. & K. Hradil (2006): First records of Oxycarenus lavaterae (Heteroptera: Oxycarenidae) from the Czech Republic, with review of its distribution and biology. – Klapalekiana 47: 97–127.  Kriticos, D., Kean, J.,  Phillips, C., Senay, S., Acosta, H. & T. Haye (2017): The Potential Global Distribution of the Brown Marmorated Stink Bug, Halyomorpha halys, a Critical Threat to Plant Biosecurity. – In: Journal of Pest Science, Vol. 90, No. 4, 01.09.2017: 1033-1043.  Péricart, J. (1998): Hémiptères Lygaeidae euro-méditerranéens, vol. 2.  – Faune de France 84 b. Fédération Française des Sociétés de Sciences naturelles. 453 S.  Rabitsch, W. & K. Adlbauer (2001): Erstnachweis und bekannte Verbreitung von Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) in Österreich (Heteroptera: Lygaeidae).  – Beiträge zur Entomofaunistik 2: 49-54.  Schneider, A. & W. H. O. Dorow (2016): Erstnachweis von Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) für Hessen. – Heteropteron 45: 23-24.  Schneider, A. & W. H. O. Dorow (2017): Erstnachweis von Oxycarenus pallens (Herrich-Schaeffer, 1850) für Hessen und neue Nachweise von Oxycarenus lavaterae (Fabricius, 1787) in Hessen. – Heteropteron 50: 37-40.  Wermelinger, B., Wyniger, D. & B. Forster (2005): Massenauftreten und erster Nachweis von Oxycarenus lavaterae (F.) (Heteroptera, Lygaeidae) auf der Schweizer Alpennordseite. – Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft 78, 2005, S. 315.  URL. https://tageswoche.ch/wirtschaft/er-stinkt-frisst-unser-obst-und-es-gibt.... Anschrift des Verfassers: Markus Bräu, Amperstraße 13, 80638 Müchen

 

Die Bodenwanze Oxycarenus pallens (Heteroptera: Oxycarenidae) erreicht Bayern. Mitgeteilt von Markus Bräu am 14.02.2018

Einleitung: Oxycarenus pallens ist in der südlichen paläarktischen Region weit verbreitet und kommt vom Mittelmeerraum durch Asien bis nach Nordchina vor (Wachmann et al. 2007). Bis zum Erstfund für Deutschland im Jahr 2004 (Rietschel & Strauss 2006) reichte das bekannte mitteleuropäische Verbreitungsgebiet vom Mittelmeerraum bis Zentralfrankreich westlich der Alpen und östlich davon bis ins östliche Österreich (Niederösterreich, Wien). Im Burgenland (um den Neusiedler See) traf der Autor die Art vielfach und häufig an. Seitdem gab es in Deutschland Neufunde in Sachsen (Dietze et al. 2006) im Jahr 2005 und im Jahr 2007 in Rheinland-Pfalz (Simon 2007). 2017 wurde O. pallens nun auch für Hessen von der Griesheimer Düne bei Darmstadt gemeldet (Schneider & Dorow 2017). In diesem Beitrag werden Funde aus Bayern mitgeteilt.

Die Bodenwanze Oxycarenus pallens (Heteroptera: Oxycarenidae)

Die Bodenwanze Oxycarenus pallens (Heteroptera: Oxycarenidae)

Nachweisdaten: Am 20.6.2016 war es dem Autor (unter Begleitung eines Sicherheitspostens) erlaubt, anlässlich eines Besprechungstermins zu einem Umbauprojekt den ansonsten nicht öffentlich zugänglichen Rangierbahnhof Nord in München zu betreten. Bei kursorischem Keschern nebenbei gelang dort der Fund eines Einzeltiers von Oxycarenus pallens. Unklar musste zunächst bleiben, ob es sich um ein mit Güterwaggons verschlepptes Einzeltier handelte, oder um eine Population. Eine Nachsuche im Herbst desselben Jahres im näheren Umfeld des Rangierbahnhofs blieb erfolglos ‒ wohl nicht zuletzt, weil kaum geeignete Wirtspflanzen gefunden wurden. Von Erfolg gekrönt waren dagegen Käscherfänge am 22.8. sowie am 25.8.2017 an anderer Stelle. Die Art wurde am 22.8. in größerer Zahl auf einer lückig bewachsenen, trockenwarmen Ruderalflur in ebener Lage und an einer südexponierten Böschung mit wärmeliebendem, ruderalisiertem Saum, sowie weiter westlich in geringerer Menge auf einer erst im Herbst gemähten Wiesenbrache im Stadtteil Lerchenau gefunden. Diese Fundorte befinden sich nur bis zu 200m vom Bahn-Nordring entfernt, der sich vom Rangierbahnhof nach Osten fortsetzt. Am 25.8. konnte O. pallens in Anzahl im Stadtteil Allach in einer trockenwarmen Staudenflur gefunden werden, die jedoch ebenfalls nur rund 300m südlich des Rangierbahnhofs liegt. Da zumindest am erstgenannten Fundort auch zahlreiche Larven nachgewiesen wurden, ist von einer wenigstens vorläufig erfolgreichen Etablierung der Art in München auszugehen.

Lebensweise: Die Art lebt in wärmebegünstigten Lebensräumen auf Flockenblumen-Arten (Centaurea spp.). Gelegentlich soll sie auch an andere Korbblütler gehen (Wachmann et al. 2007). Die Eiablage erfolgt an den Blütenköpfen nach der Überwinterung ab Ende Mai, die Larven häuten sich von Juli an zur Imago. Die in München gefundenen Tiere lebten an Rispen-Flockenblume (Centaurea stoebe) und Skabiosen-Flockenblume (C. scabiosa), an einem der Fundorte dagegen in geringer Zahl an Wiesen-Flockenblume (C. jacea). Dort fehlten die beiden anderen Wirtspflanzen.

Diskussion: Sehr wahrscheinlich wurden die 2017 in München gefundenen Habitate vom Rangierbahnhof München Nord aus besiedelt, in dem die Art als erstes gefunden wurde. Dies muss jedoch noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine Verschleppung vorliegt, da das Gelände eine ausgesprochene Wärmeinsel bildet und daher der xerothermophilen Art besonders günstige Lebensbedingungen bietet. Daher wäre es interessant zu wissen, ob weitere Funde aus Bayern vorliegen. Damit könnte vielleicht auch der Einwanderungsweg nachvollzogen werden. Neben der anzunehmenden Ausbreitung über einen westlichen Ausbreitungskorridor ist offensichtlich auch noch eine Ausbreitung von Osten her zu verzeichnen. In Südmähren war die Art früher selten und zeigte andererseits in den vergangenen Jahren eine starke Vergrößerung der Populationen und eine Ausbreitung nach Norden Stehlík, & Vavínová (1997). Für Sachsen wird eine Herkunft aus dieser Region angenommen, für den Erstfund wurde dort eine Einschleppung mit Pflanzenmaterial im Zuge der Rekultivierung der Halde, wo der Erstnachweis gelang (Dietze et al. 2006). O. pallens hat sich mittlerweile im Dresdner Elbtal etabliert, wobei die Populationsgrößen je nach sommerlicher Witterung stark schwanken. Dafür, dass eine eigenständige weitere Ausbreitung auch über größere Distanzen möglich ist, spricht die genannte Neubesiedlung Hessens: Da die Art bereits zehn Jahre zuvor von Simon (2007) von dem ca. 16 km entfernten "Oppenheimer Steinbruch" gemeldet wurde, wird der Erstfund auf der "Griesheimer Düne" als aktive Ausbreitung interpretiert (Schneider & Dorow 2017). Die Art ist als Gewinner der Klimaveränderung einzustufen und dürfte sich auch in Bayern weiter ausbreiten.

Aufruf: Um besseren Aufschluss über das Ausbreitungsgeschehen dieser Art zu bekommen, wird gebeten, etwaige Funde der leicht identifizierbaren Art an den Autor zu melden. Gerne können bei Bestimmungsunsicherheiten auch Exemplare zur Überprüfung zugeschickt werden.

Literatur: Dietze, R., Münch, M. & Vogel, D. (2006): Bemerkenswerte Funde von Wanzen in Sachsen (Heteroptera). Sächsische Entomologische Zeitschrift 1 (2006): 1-31.  Rietschel, S. & Strauss, G. (2006): Neunachweise von drei Wanzen-Arten (Hemiptera, Heteroptera) für Baden-Württemberg.Carolinea 63, 201-208.  Schneider, A. & Dorow, W. H. O. (2017): Erstnachweis von Oxycarenus pallens (Herrich-Schaeffer, 1850) für Hessen und neue Nachweise von Oxycarenus lavaterae (F., 1787) in Hessen. Heteropteron 50: 37-40.  Simon, H. (2007): 1. Nachtrag zum Verzeichnis der Wanzen in Rheinland-Pfalz (Insecta: Heteroptera). Fauna Flora Rheinland-Pfalz 11, 109-135.  Stehlík, J.L. & Vavínová, I. (1997). Results of the investigations on Hemiptera in Moravia made by the Moravian Museum (Lygaeidae 1).  Acta Musei Moraviae, Scientiae naturales 81, 231-298.  Wachmann, E., Melber, A. & Deckert, J. (2007): Wanzen Band 3 Pentatomomorpha I Aradidae, Lygaeidae, Piesmatidae, Berytidae, Pyrrhocoridae, Alydidae, Coreidae, Rhopalidae, Stenocephalidae. - Die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile nach ihren Merkmalen und nach ihren Lebensweisen 78. Keltern. 272 S.  Zitiervorschlag: Bräu, M. 2017: Die Bodenwanze Oxycarenus pallens (Heteroptera: Oxycarenidae) erreicht Bayern.. Faunistische Mitteilung, Arbeitsgemeinschaft bayerischer Entomologen, website abe-entomofaunistik.org [14.02.2018]. Anschrift des Verfassers: Markus Bräu, Amperstraße 13, 80638 Müchen